Ein neuer Ansatz für CO2-Zertifikate könnte Asiens Kohleabhängigkeit beenden. Doch Kritiker sind skeptisch und warnen vor Risiken.
Die Philippinen testen eine neue Art von CO2-Zertifikat. Es soll Unternehmen dazu bringen, ihre klimaschädlichen Emissionen zu senken. Die Idee: Mit den Mitteln lassen sich Kohlekraftwerke in Anlagen für erneuerbare Energien umwandeln.
Sie tragen den Namen Transition Credits. Sie sollen das schrittweise Aus für Kohle mitfinanzieren, indem sie den vermiedenen Emissionen einen Wert geben. Die Mittel sollen dann die Ausrüstung für fossile Brennstoffe durch Technik für saubere Energie ersetzen.
Befürworter sehen darin einen Hebel für neue Investitionen in die energiehungrige Asien-Pazifik-Region. Sie hoffen, dass der Südostasien-Umstieg auf erneuerbare Energien schneller gelingt. Kritische Stimmen verweisen jedoch auf alte Probleme im CO2-Markt und halten Transition Credits für eine Sackgasse.
Transition Credits als neuer Ansatz
Ein CO2-Zertifikat steht für eine Tonne Kohlendioxid, die entfernt oder gar nicht in die Atmosphäre abgegeben wurde. Staaten und Unternehmen handeln solche Zertifikate auf CO2-Märkten. Sie wollen damit Vorschriften einhalten, Emissionsminderungsziele erreichen oder Umweltauswirkungen ausgleichen.
Transition Credits unterscheiden sich, weil sie künftig vermiedene Emissionen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe bewerten. Solche Emissionen heizen den Klimawandel an.
Doch weltweit leiden Projekte mit CO2-Zertifikaten unter massiven Vertrauensproblemen.
Vorhaben zum Schutz von CO2-bindenden Wäldern stehen in der Kritik. Ihnen wird Greenwashing, falsche Berechnungen und sogenannte Carbon Leakage vorgeworfen. Das bedeutet, dass Firmen in Länder mit laxeren Emissionsregeln ausweichen. Viele Projekte liefern die versprochenen Vorteile für lokale Gemeinschaften nicht. Es gibt Berichte über Menschenrechtsverletzungen in Kambodscha und mehr Abholzung in Peru, neben weiteren Problemen.
Wie jede unerprobte Idee haben die Zertifikate Stärken und Schwächen, sagt Ramnath Iyer vom US-Institut für Energieökonomie und Finanzanalyse. Er schätzt, dass ein Transition Credit zwischen neun und fünfundvierzig Euro wert sein könnte.
„Es wird Herausforderungen und Fehler geben, wie bei jedem Deal“, sagt Iyer. „Aber wir haben kein Buffet an Lösungen gegen den Klimawandel, aus dem wir einfach wählen können.“
Südostasien setzt auf Kohle
Die Welt wird das globale Ziel, die Erwärmung auf höchstens 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, wohl überschreiten.
Im November gelang es den Vereinten Nationen bei den jährlichen Klimaverhandlungen, bekannt als COP30, nicht, einen internationalen Fahrplan für den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen zu vereinbaren.
Die Emissionen steigen. In den Schwellenländern der Asien-Pazifik-Region deckt Kohle die wachsende Energienachfrage. Das verschlechtert die Luftqualität.
Laut der Internationalen Energieagentur ist Südostasien nach Indien und China die weltweit drittgrößte Kohleverbrauchsregion. Die IEA erwartet, dass sich der regionale Strombedarf bis 2050 verdoppelt.
„Am Wert und der Dringlichkeit, den Ausstieg aus Kohlekraftwerken zu unterstützen, besteht kein Zweifel“, sagt Danny Cullenward vom Kleinman Center for Energy Policy der Universität Pennsylvania. „Aber es ist äußerst schwierig, den Nutzen eines Eingriffs wie Transition Credits präzise zu beziffern.“
Pilotprojekt auf den Philippinen spaltet die Meinungen
Der Test mit Transition Credits läuft im 270-Megawatt-Kraftwerk der South Luzon Thermal Energy Corp. in Calaca City südlich von Manila.
Die Anlage wurde vor einem Jahrzehnt von ACEN Corp. gebaut, dem Energiearm des philippinischen Großkonzerns Ayala Corp.
Kohlekraftwerke sind meist für 50 Jahre ausgelegt. In Südostasien sind die Kohleanlagen im Schnitt jünger als 15 Jahre, wie die in Calaca. ACEN will den Standort South Luzon dennoch bis 2040 stilllegen.
Transition Credits könnten das beschleunigen.
„Wenn es funktioniert, entsteht ein Handbuch für Besitzer von Kohleanlagen und ihren Energiewandel“, sagt Irene Maranan von ACEN. „Dann werden mehr Menschen an diese Initiative glauben als sie ablehnen.“
Die Rockefeller Foundation entwickelte das Konzept der Transition Credits, um die vorzeitige Stilllegung von Kohlekraftwerken zu finanzieren. Bezahlt wird der Austausch fossiler Technik durch Ausrüstung für Erneuerbare Energien , die an den gleichen Standorten weiter Strom erzeugt.
„Es wäre verantwortungslos, ein Kohlekraftwerk einfach abzuschalten, ohne Ersatz“, sagt Maranan. „Das Land braucht weiterhin seine Energieversorgung. Die Nachfrage wächst und hält an.“
Joseph Curtin, Vizepräsident für Energiewende bei der Rockefeller Foundation, sagt, eine unabhängige, gemeinnützige Instanz zur Steuerung des CO2-Markts prüfe die Methode, die bereits von Branchenriesen wie Mitsubishi Corp. aus Japan unterstützt wird.
In der Asien-Pazifik-Region gibt es rund 60 Kohlekraftwerke mit Potenzial für Transition Credits. Zusammen könnten sie bis 2030 etwa 94 Milliarden Euro an öffentlichem und privatem Kapital anziehen. Das Projekt in Calaca soll zeigen, dass die Idee funktioniert, sagt Curtin.
„Wir wollen Dutzende Projekte umsetzen, um spürbare Wirkung zu erzielen“, sagt er. „Aber um glaubwürdig zu sein, brauchen wir zuerst ein Projekt, aus dem wir lernen und uns weiterentwickeln.“
Die Probleme mit CO2-Zertifikaten
Die Skepsis gegenüber Transition Credits hat mit dem ramponierten Ruf des CO2-Markts zu tun.
Elle Bartolome von der Philippine Movement for Climate Justice gehörte zu Dutzenden Aktivisten, die bei der COP30 in Brasilien gegen das von ihr so genannte „Carbon Casino“ protestierten.
Angesichts der Integritätsprobleme früherer Projekte befürchtet Bartolome, dass Transition Credits erneut den lokalen Gemeinschaften wenig bringen. Besonders dann, wenn es keine Wiedergutmachung für jene gibt, die durch das Kraftwerk in Calaca negativ betroffen sind.
Patrick McCully, Analyst für Energiewende bei Reclaim Finance, schreibt in einem aktuellen Bericht, Transition Credits würden die Fehlentwicklungen des CO2-Markts wohl wiederholen. Die Branche habe falsche Versprechen, ungenaue CO2-Berechnungen und andere Probleme nicht gelöst. Daher seien die Zertifikate eine „Sackgasse“.
Südostasien solle seine Aufmerksamkeit und die Finanzierung auf einen entschlossenen Ausbau der erneuerbaren Energien richten, sagt McCully.
„Das ist alter Wein in neuen Schläuchen“, sagt McCully. „Es wird viel Zeit, Energie und Geld vergeudet.“