"Atomkraft ist sehr teuer": Streit um Nutzung von Kernenergie in der EU

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Copyright Johanna Geron/AP
Von Euronews mit dpa
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Der Vorschlag der EU-Kommission, Investitionen in neue Gas- und Kernkraftwerke übergangsweise als "grün" einzustufen, hat bei einigen EU-Ländern scharfe Kritik ausgelöst.

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Die erste Streitigkeit in der EU im Jahr 2022 hat einen Namen: Taxonomie. Denn der Vorschlag der EU-Kommission, Investitionen in neue Gas- und Kernkraftwerke übergangsweise als "grün" einzustufen, hat bei einigen Ländern scharfe Kritik ausgelöst.

Klimaschützer sind der Meinung, dass dies ein falsches Signal ist. Atomenergie und Erdgas seien keine Lösung beim Kampf gegen den Klimawandel, findet etwa Magda Stoczkiewicz, Direktorin des EU-Programms der Umweltschutzorganisation Greenpeace: "Bei der Kernenergie geht es nicht nur um giftigen Müll und die Tatsache, dass wir keinen Ort für die Endlagerung haben. Es geht natürlich auch um die Gewinnung und die Nutzung von Uran."

Die Taxonomie spaltet die Länder in Europa: Während Frankreich und Polen den Vorschlag der EU-Kommission positiv sehen, kommt Gegenwind etwa aus Deutschland, Österreich, Spanien und Luxemburg.

"Es wird nur ein Festhalten sein"

"Es geht auch um die wirtschaftlichen Kosten", sagt Magda Stoczkiewicz. Die Anlagen seien sehr teuer. Auch Atomkraft sei sehr teuer. "Deshalb würde sie niemand mit rein privaten Geldern bauen. Das ist der Grund, warum die Regierungen ihre Unterstützung zusichern. Die Investitionen in erneuerbare Energien werden so jedoch eingeschränkt. Es wird also kein Übergang, sondern nur ein Festhalten sein", so die Greenpeace-Direktorin.

Nur wenig Widerstand gegen EU-Entwurf

Die EU-Mitgliedstaaten haben nun bis zum 12. Januar Zeit, den Entwurf zu kommentieren. Seine Umsetzung kann nach Angaben der EU-Kommission nur verhindert werden, wenn sich mindestens 20 EU-Staaten zusammenschließen, die mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU vertreten, oder mindestens 353 Abgeordnete im EU-Parlament.

Dies gilt allerdings als unwahrscheinlich, da sich neben den oben gennanten Ländern nur noch Dänemark und Portugal klar gegen eine Aufnahme der Atomkraft aussprechen und auch eine ausreichend große Mehrheit gegen die geplanten Gasregeln nicht in Sicht ist. In Italien drängt die Regierungspartei Lega nun sogar zu einem neuen Referendum zu einem Wiedereinstieg in die Kernkraft.

Österreich denkt über Klage nach

Zumindest Österreich will allerdings nichts unversucht lassen, um den Vorstoß doch noch zu stoppen, und droht mit einem Gang vor den Europäischen Gerichtshof. "Sollten diese Pläne so umgesetzt werden, werden wir klagen", kündigte Klimaschutzministerin Leonore Gewessler an. Ausgangspunkt könnte dabei ein Rechtsgutachten sein, wonach Atomkraft laut der Taxonomie-Verordnung nicht den Anforderungen an eine nachhaltige Investition entspricht.

Die "Hochrisikotechnologie" Atomenergie als nachhaltig zu etikettieren, sei falsch, kommentierte der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Der Atommüll werde die EU über Jahrhunderte belasten, so der Politiker.

Ob sich Deutschland einer Klage anschließen würde, ist unterdessen fraglich. Habeck teilte am Wochenende lediglich mit: "Eine Zustimmung zu den neuen Vorschlägen der EU-Kommission sehen wir nicht." Von einem Engagement gegen den Kommissionsvorschlag war nicht die Rede.

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