Welche Hürden gibt es bei den Koalitionsverhandlungen zwischen SPD, Grünen und FDP?

Die SPD führt Koalitionsgespräche mit Grünen und SPD, kommt es am Ende zur sogenannten Ampel, der ersten in Deutschland?
Die SPD führt Koalitionsgespräche mit Grünen und SPD, kommt es am Ende zur sogenannten Ampel, der ersten in Deutschland? Copyright Amgad ./Unsplash
Von Alexandra Leistner
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Nach den Sondierungsgesprächen sind die groben Linien für die Koalitionsverhandlungen klar, doch einige Hürden gilt es dennoch zu überwinden. Welche das sind, fassen wir hier zusammen.

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Nach fast einem Monat Sondierungsgesprächen haben die formellen Koalitionsverhandlungen zwischen Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen zur Bildung einer neuen Regierung für die Bundesrepublik Deutschland begonnen.

Der erste Tag war kurz: Die Gespräche, die in der Berliner Messe abgehalten wurden, dauerten nur rund zwei Stunden. Danach werden für jede Partei Unterhändler in 22 Arbeitsgruppen zusammenkommen.

Am Ende soll ein Koalitionsvertrag stehen, der mehrere hundert Seiten lang sein wird. Und wenn die Parteien dem zustimmen, kann die neue Regierung unter einem neuen Kanzler Olaf Scholz übernehmen. Ziel ist es, noch in diesem Jahr - möglichst in der Woche des Nikolaustags - eine Regierung zu haben.

Doch um welche Themen geht es bei den Gesprächen vor allem? Welches sind die Konflikte, die zwischen den drei Parteien bestehen, die auf Bundesebene noch nie gemeinsam regiert haben?

Ein Überblick über bereits gefundene und noch zu findende Kompromisse.

"Zukunftsinvestitionen"

Klimaschutz, Digitalisierung, Bildung und Forschung - das sind die drei Themen, für die die Parteien große Summen Geld in die Hand nehmen und Investitionen - privat und öffentlich - fördern wollen, das geht aus dem Sondierungspapier hervor. Nicht unüblich ist es, dass die Quelle dieser Gelder bisher nicht genannt wird. Allerdings will die Koalition weder Steuern erhöhen oder neue Abgaben einführen, noch die Schuldenbremse lockern: Der Spielraum für Ausgaben dürfte also begrenzt, die Finanzierungswege ein wichtiges Detail der Koalitionsverhandlungen werden.

Klimaschutz

Deutschlands Friday-for-Future-Klimaaktivistin Luisa Neubauer spricht vom "'Weiter so in ökoliberal" und stellte neue Forderungen an die neue Regierung, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. In den Sondierungen einigte man sich zwar darauf, das bereits von der Merkel-Regierung Ende August auf den Weg gebrachte Klimaschutzgesetz weiter zu entwickeln und ein Sofortprogramm beschließen zu wollen, und auch der Abschnitt im Ergebnispapier der Sondierungen zum Thema Klima nimmt den größten Teil ein. 

Von Beschlüssen über Gesetzgebungsprozesse in Bundestag und Bundesrat bis hin zur Realisierung (etwa zahlreicher Windräder oder dem Ausbau der Schienennetze) dürften Experten zufolge aber mindestens zwei Jahre ins Land gehen. Zwei Jahre, in denen weiter mehr und mehr CO2 in die Atmosphäre abgegeben wird.

Die Parteien wollen sich in den Koalitionsgesprächen unter anderem auf den Ausbau erneuerbarer Energien, Kohle-Ausstieg bis 2030, Solarenergie auf allen Dächern neu errichteter Häuser, Errichtung von Gaskraftwerken, mehr Nachverkehr, und das Bekenntnis zur Elektromobilität konzentrieren.

Radikale Veränderungen, wie die Einführung eines Tempolimits auf deutschen Autobahnen, sind nach den Sondierungsgesprächen bisher nicht erkennbar, eine generelle Beschränkung sogar ausgeschlossen. Und alle drei Parteien sagen, dass die Klimawende ohne Verzicht möglich ist.

Dennoch dürften die Grünen in den Verhandlungen für schnellere, radikalere Lösungen für den Klimaschutz drängen.

Eine sichere und flexible Arbeitswelt

Ein zentrales Wahlversprechen der SPD wird wohl Realität: Die Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns von 9,50 € im Jahr 2021 auf 12 Euro. Zudem soll die Grundsicherung "Hartz VI" in "Bürgergeld" umbenannt werden und die Grenze für den Zuverdienst von Empfängern erhöht werden, damit Arbeit in Vollzeit auch neben Grundsicherung interessant ist.

Die Grünen haben im Wahlkampf damit geworben, erst Einkommen ab 10.344 Euro zu besteuern, die FDP will den Spitzensteuersatz von 42 Prozent erst ab einem Einkommen von 90.000 Euro gelten lassen, bisher bezahlt gilt der höchste Einkommensteuerabsatz bei 57.919 Euro (im Jahr 2021).

Das Renteneintrittsalter soll nicht angehoben und die Rente soll nicht gekürzt werden.

Fachkräften aus dem Ausland soll es mit Hinblick auf Qualifikation Einkommensgrenzen leichter gemacht werden, nach Deutschland zu kommen. Auch der Einbürgerungsprozess und der Statuswechseln von Flüchtling zu ArbeitsmigrantInnen soll vereinfacht und beschleunigt werden.

Außenpolitik und Sicherheitspolitik

Wie schon im Wahlkampf sind auch in den Sondierungen die Themen Außenpolitik und Sicherheit relativ kurz gekommen. Das Papier bleibt dazu recht vage: "Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik werden wir wertebasiert und europäischer aufstellen", ist dort auf Seite 11 von 12 zu lesen. Ein klares Bekenntnis zu Europa, Vereinten Nationen und NATO gibt es in dem Papier, der Abzug aus Afghanistan soll in einem Ausschuss untersucht werden. Konkrete außenpolitische Absichten werden aber nicht definiert.

Für das Thema Migration will man eine gemeinsame europäische Strategie finden, unter anderem um das Sterben auf dem Mittelmeer zu beenden. Asylanträge, Familienzusammenführungen aber auch Rückführungen sollen beschleunigt werden. Allerdings wird das Papier auch in dieser Hinsicht nicht konkret.

Ministerposten

Zwar haben die Spitzen der drei Parteien SPD, Grünen und FDP wiederholt, dass Entscheidungen über die Verteilung der Ministerämter am Ende der Verhandlungen getroffen würden, allerdings haben Politiker sowohl der Grünen als auch der FDP Robert Habeck bzw. Christian Lindner schon für die Stelle des Finanzministers ins Spiel gebracht. Nur eine ist wohl klar: Deutschlands neuer Bundeskanzler wird Olaf Scholz heißen, in der Nikolauswoche soll er gewählt werden.

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Sowohl Grüne als auch SPD haben sich im Wahlkampf für eine paritätische Verteilung von Posten eingesetzt. In der vergangenen Woche hatte die Neubesetzung des oder der BundestagspräsidentIn Schlagzeilen gemacht: Am Ende hat man sich aber auf die SPD-Gesundheitspolitikerin Bärbel Bas als Kandidatin geeinigt.

Was sagt der Nachwuchs?

Die Nachwuchsorganisationen der drei Parteien dürften zusätzlich Druck ausüben: Die Jungsozialisten pochen auf den Ausbau des Nahverkehrs, niedrigere Ticketpreise und eine umlagefinanzierte Ausbildungsplatzgarantie. Die Grüne Jugend will beim Klimaschutz nachlegen und die Jungen Liberalen wollen die Vermögensbildung erleichtern, eine Legalisierung von Sterbehilfe, die Abschaffung des Abtreibungsparagrafen im Strafgesetzbuch und vollständige Legalisierung von Cannabis.

Auch das Thema Wahlalter für Bundestagswahlen und Europawahlen auf 16 Jahre herabzusetzen, liegt der jungen Generation am Herzen.

Für die Legalisierung von Cannabis wurde unter anderem die Hashtags #Legalisierung2022 und #Cannabislegalisierung in den Sozialen Netzwerken genutzt.

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